Gleich vorweg, ich liebe ‘Schreibspaziergänge’, egal wo, egal wann. Ich könnte sie immer und überall machen. In der Natur (der Klassiker), im Park, im Einkaufszentrum, am Bahnhof, in Museen, im Tiergarten, aber auch von Café zu Café. Während ich mich hier mit Latte Macchiato und dort mit einem gekühlten Cola oder einem hausgemachten Eistee verwöhnen lasse, ziehen meine Gedanken in mir vorbei. Ich halte sie fest auf Papier und lasse sie dann weiterziehen. Alles und jedes Detail kann mich zum Schreiben anregen, meine Geschichten beflügeln, bereichern, befruchten sich gegenseitig.
Aber nicht nur: Schreibspaziergänge sind hervorragend dafür geeignet, um nachzudenken, zu reflektieren oder neue Ideen zu sammeln. Geniale Ideen werden selten am Schreibtisch geboren, also raus aus dem gewohnten Umfeld.
Vielleicht fragst du dich jetzt: Schreiben, spazieren, gehen, Cafés, wovon spricht die Frau überhaupt? Etwa von schreiben im Gehen? Nun während des Gehens solltest du nicht schreiben, das könnte gefährlich werden. Ich glaube, wir alle kennen jene Hindernisse, die plötzlich unseren Weg kreuzen, während wir eine SMS schreiben oder mit der Navigation am Handy diskutieren. Also gehen wir lieber ein Stück und suchen uns immer wieder Plätze, wo wir in Ruhe schreiben können. Wir halten an, nehmen unsere Umgebung wahr und horchen eine Zeit lang in uns hinein. Dann gehen wir wieder ein Stück weiter ...
Die meisten meiner Texte, die bei einem Schreibspaziergang entstehen, werden niemals das Licht der Öffentlichkeit erblicken. Viel mehr geht es darum, neue Ideen zu finden und zu reflektieren oder einfach Spaß am Schreiben und Wahrnehmen zu haben.
Schreiben ist ein wundervolles Werkzeug, um Gedanken zu sortieren. Himmel, da ist viel los, da tut sich ja einiges in uns, rund um uns. Im Alltag bleibt wenig Zeit, sich zurückzuziehen und einfach mal in Ruhe nachzudenken. Du hast es sicher schon erlebt, dass du dich schnell für etwas entscheidest, vielleicht zu schnell. Rationell. Eine Kopfgeburt eben. Doch du fühlst dich mit dieser Entscheidung nicht gut. Vielleicht hast du dich auch für etwas entschieden, setzt es dann aber nicht um, weil es doch nicht zu dir passt.
Wir unterschreiben mit unserem Namen, wir schreiben eine E-Mail oder eine Textnachricht. Ich empfinde alles Geschriebene viel verbindlicher als alles Gesagte, denn was ich geschrieben habe, ist nicht widerlegbar. Auch wenn ich etwas nur für mich aufschreibe, ist es eine Art Vertrag mit mir selbst, den ich abschließe, aus welchen Gründen auch immer.
Neben dem Verbindlichen, dass so eine schriftliche Entscheidung mit sich bringt, kannst du ausprobieren, wie sich verschiedene Optionen und Wege anfühlen. Beim Schreiben kannst du deiner Fantasie freien Lauf lassen. Du kannst für dich aber auch risikolos ergründen, welche Antworten und Lösungen sich gut anfühlen, welche passen. Dabei versetze ich mich in die Situation, als hätte die Lösung bereits gefunden, die Entscheidung getroffen und ich schreibe darüber. Manchmal schreibe ich aus der Sicht einer anderen Person, um besser zu verstehen. Oder ich beziehe meine Fantasie mit ein und schreibe zB. aus der Sicht des Baumes. So gewinne ich Distanz und einen besseren Überblick. Neue Türen öffnen sich. Oder ich schreibe mit Humor sozusagen meine eigene Satire. Wie auch immer: Jeder Schreibprozess hält ein Stückchen Selbsterkenntnis bereit, wenn du dich darauf einlässt.
Äußerst menschliche Kreativorte sind die Dusche, das WC oder das Bett. Die wenigsten Ideen kommen am Schreibtisch sitzend. Wie sagte schon Picasso? “Inspiration existiert, aber sie muss dich erst bei der Arbeit finden.” Ein Ortswechsel fördert unsere Kreativität und das Gehen tut sein Übriges. Ich sehe plötzlich Dinge, die zwar vorher auch da waren, aber nicht den Weg in mein Bewusstsein geschafft haben. Ein Schreibspaziergang kann ein wahrer Türöffner sein und den Knoten im Kopf lösen.
Natürlich kannst du einen Spaziergang um des Schreibens Willens machen. Ich liebe es, Geschichten zu schreibe und gehe mit Ideen zu meinen Geschichten oft sehr lange schwanger. Zwischen Homeoffice, Workshops und Privatleben bleibt wenig Zeit und Ruhe, um sie niederzuschreiben. Bei einem Schreibspaziergang habe ich endlich die Möglichkeit, sie ablenkungsfrei zu schreiben. Es ist eine Zeit, die ich mir dafür bewusst reserviere. Ein Schreibspaziergang kann also Quality-Time für jedes Schreibprojekt sein.
Mit einem Schreibspaziergang durchbrichst du deine alltägliche Routine und schaffst die genau richtige Umgebung, um kreativ zu sein, Lösungen zu finden, zu reflektieren. Hand aufs Herz, wie oft sehen wir im Alltag den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr? Wir stecken fest. Das mögen größere oder kleinere Probleme sein. Es kann aber auch sein, dass du in einem Schreibprojekt hängst; oder bei deiner Arbeit. Ein Schreibspaziergang ist eine von vielen Möglichkeiten, um wieder neue Energie zu tanken und neue Optionen zu sehen.
Spielst du gerne? Ich ja! Schreiben ist auch ein Spiel mit Gedanken, Figuren, Worten, Buchstaben … So wird es leicht so leicht, als wären wir nie zur Schule gegangen. So leicht, als hätten wir nie einen mit Rotstift korrigierten Aufsatz zurückbekommen. So leicht, als gebe es in diesem Moment nur uns, das Papier und den Stift. Es ist immer wieder erstaunlich, welche großartigen Texte aus scheinbar naiven Wort- und Gedankenspielereien entstehen. Texte, die bleiben und sich weiterentwickeln dürfen, so wie wir. Auch dafür eignet sich ein Schreibspaziergang.
Sollst du nun alleine oder in der Gruppe gehen? Ich mache viele Spaziergänge alleine, muss aber zugeben, dass es ohne Anleitung nicht immer leicht ist, beim Thema zu bleiben. Allzu sehr mischen sich hier meine Rollen als Schreibende und als Schreibtrainerin.
Bei Schreibspaziergängen mit dem Ziel zu reflektieren sind gezielte Fragen, die dich zu deiner Lösung hinführen, sehr hilfreich. So läufst du nicht Gefahr, in einer Sackgasse zu enden oder dich in Grübeleien zu verstricken. Bei meinem "Schreibspaziergang für dein Business" fordere ich meine Teilnehmer:innen auf, während des Spazierganges nicht über das Problem zu sprechen. Sie sollen ja IHRE Lösung finden und dennoch bietet das Schreiben in der Gruppe einen geschützten Rahmen. Erst am Ende tauschen wir uns aus (falls gewünscht).
Schreibspaziergänge, um mit Textprojekten voranzukommen, können auch vielfältig gestaltet werden. Geht es um das Produzieren von Text? Geht es um die Textstruktur? Geht es um neue Ideen? Ein Spaziergang (auch, wenn du alleine gehst) sollte einen Fokus haben und sei es auch nur: Ich möchte Spaß haben und dieses oder jenes ausprobieren.
Einen ganz besonderen Ort für einen Schreibspaziergang möchte ich dir noch vorstellen: den österreichischen Skulpturenpark 6 Kilometer südlich von Graz. Bei freiem Eintritt kannst du mehr als 75 Skulpturen bewundern, am Seerosenteich den Fröschen zuhören, dich in die Wiese setzen und schreiben.
Kurztrips zu dir selbst: Meine Schreibspaziergänge im Skulpturenpark
Jeder Schreibprozess hält neue Erkenntnisse für uns bereit und bringt uns ein Stück weit näher zu uns selbst. Wir können unsere Ideen und Gedanken sortieren und so mehr Klarheit bekommen. Genauso gut können neue Ideen entstehen. Ein Schreibspaziergang kann Quality-Time für dein Schreibprojekt sein oder einfach nur eine Möglichkeit, um Raum, Zeit und Ort spielerisch zu genießen. Wenn du bei einem meiner Schreibspaziergänge dabei sein möchtest oder gerne zu einem bestimmten Thema eine Anleitung hättest, schicke mir eine E-Mail.
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